Eine Ausstellung wird fertig - Bericht vom sechsten und letzten Seminarwochenende
Das letzte Wochenende von „Muskepeer 2016“ stand im Zeichen der Erarbeitung der letzten Stichworte für die Ausstellung. Die Muskepeer-Jugendlichen haben an den letzten Treffen seit April 2016 eine Ausstellung unter dem Motto „MUSKEPEER´S, HEIMKINDER, CARELEAVER – Einblicke in das Leben von Jugendlichen in der Jugendhilfe" erarbeitet, die nun konkrete Formen annahm.
Ausgehend von den Diskussionen der vergangenen fünf Seminare soll die Ausstellung folgende Diskurse aufnehmen, die es unter den Jugendlichen gab:
- Wie und wo leben Jugendliche in Heimen und Wohngruppen der Jugendhilfe? Wie zufrieden sind sie mit ihrer Wohngruppe? Was wollen sie in ihrem Leben erreichen?
- Wie begreifen die Jugendlichen Beteiligung – was erwarten sie an Beteiligungsthemen und wie vollzieht sich die Praxis in ihren Einrichtungen?
- Wann fühlen sich Jugendliche in Einrichtungen wohl? Was erwarten sie von erwachsenen Bezugspersonen?
- Wie berichten die Jugendlichen Freund_innen davon, wo und wie sie leben? Was können sie an guten Erfahrungen mit der Jugendhilfe berichten?
- Welche Kinderrechte gelten in einer Wohngruppe? Welche Rechte werden aus Sicht der Jugendlichen verletzt? Was kann getan werden, damit die Kinderrechte mehr geachtet werden?
- Was schreibt das Kinder- und Jugendhilfegesetz an Beteiligungsrechten vor? Welche Möglichkeiten der Mitbestimmung sehen Jugendliche in Wohngruppen? Was kann man tun, damit sie mehr zu sagen haben?
- Was erwarten Jugendliche von den Jugendämtern? Was wünschen sie sich von den Mitarbeiter_innen dort? Welche Rolle spielen Vormünder_innen?
- Diese und weitere Fragen wurden strukturiert in den sechs Seminaren gestellt und mit den Jugendlichen bearbeitet. In diesen Diskursen ist aus unserer Sicht sehr viel bei den Jugendlichen passiert: (1.) Sie konnten ihre eigene Situation mit den Erfahrungen anderer abgleichen, die in vergleichbaren Situationen waren und sind. Sie konnten (2.) ein Gefühl dafür entwickeln, was sie mit erwarten dürfen von der Jugendhilfe. Sie sind (3.) alle aufgerufen gewesen, sich anderen zu öffnen und haben dies auch alle getan. Sie haben (4.) ihre Perspektive gewechselt und versucht, aus einer Vogelperspektive auf die eigene Geschichte zu schauen. Sie haben (5.) konkrete Informationen erhalten, welche Rechte für sie gelten. Und sie haben (6.) Unterstützung dabei erfahren, ihre Rechte auch zu verwirklichen – zum Teil durch den Rat anderer Jugendlicher, zum Teil durch die Beratung durch die Teamer_innen. Es ist viel passiert in diesen acht Monaten. Es ist nicht nur eine Ausstellung entstanden.
Die Ausstellung als ein Ergebnis dieser Diskurse soll Einblicke in das Leben von Jugendlichen ermöglichen, die in Heimen und Wohngruppen leben. Viele Diskussionen sind eingeflossen in die Erarbeitung. An insgesamt rund 20 Stationen geben Fotos, geschriebene Berichte, Audio-Aufnahmen, Bilder, Grafiken, ein Tagebuch und Utensilien aus dem Heimalltag Einblicke in ein Leben, das sonst (außerhalb von Klischees) weitgehend unbekannt ist. Beispielhaft sind folgende Stationen:
- Was mag ich an meiner Wohngruppe? Berichte über positive Erfahrungen mit der Jugendhilfe.
- Stigmata: Was denken Menschen über „Heimkinder“. Dazu sind Berichte und eine Befragung zu lesen und zu hören. Deutlich wird, welche Vorurteile den Jugendlichen entgegengebracht werden.
- Biographische Erzählungen: Vier Jugendlichen erzählen die Geschichte, wie sie ins Heim gekommen sind. Sie haben sich dafür sogar fotografieren lassen.
- Wie sieht der Alltag in einer Wohngruppe aus? Ein Jugendlicher hat seinen Tag in Fotos festgehalten, die in einem digitalen Bilderrahmen gezeigt werden.
- Was regt mich auf in meiner Wohngruppe? Sprechblasen geben Auskunft über fehlende und nervende Alltagssituationen.
- Was bewegt mich in der Wohngruppe und in meinem Leben? Ein handgeschriebenes Tagebuch berichtet in berührenden Worten aus mehreren Monaten im Heim.
- Ausgestellt werden auch ganz praktische Dinge: In einer Geldkassette ist zu sehen, was die Jugendlichen pro Woche an Geldern zur Verfügung haben. Das Hygienegeld eines Monats ist in Hygieneartikeln zu sehen. Ein fehlender Schlüssel markiert die Erfahrung der Jugendlichen, dass sie i.d.R. keinen Schlüssel für die Wohnungstür haben. Ein Auszug aus einem Übergabebuch verdeutlicht die Diskurse unter den Betreuer_innen über die Jugendlichen.
- Auf einer Weltkarte ist zu sehen, in welchen Regionen dieser Welt die Jugendlichen mit ihren Wohngruppen Urlaub gemacht haben – es ist überraschend überschaubar.
- Ausgestellte originale Hilfepläne geben Auskunft darüber, wie Erziehung gesteuert wird und wer was wie entscheidet.
- Ein Telefon kann benutzt werden, um einmal testweise das Jugendamt anzurufen.
- An letzten Wochenende dieses Muskepeer-Durchlaufs 2016 wurden die letzten Inhalte entwickelt, letzte Details besprochen und das Layout von einem Grafiker gemeinsam besprochen und angepasst. Darüber hinaus haben wir uns die Evangelische Hochschule gemeinsam angeschaut, in der die Ausstellung im April 2017 erstmals gezeigt werden soll. Außerdem haben wir uns voneinander verabschiedet, jedenfalls vorerst. Es waren intensive acht Monate mit vielen schönen Augenblicken. Besser machen können wir noch vieles – diesmal stand das Feiern der Ergebnisse im Vordergrund.
Die Ausstellung wird am 7. April 2017 um 18 Uhr in der Evangelischen Hochschule Dresden erstmals mit einer Feierstunde von den Jugendlichen öffentlich präsentiert, steht dann dort drei Wochen und soll dann deutschlandweit als Wanderausstellung auf Tour gehen. Wer an seinem oder ihrem Ort die Ausstellung zeigen möchte, kann sich gern bei uns melden: ausstellung@muskepeer.de
13.12.2016