Careleaver Zentrum Dresden

Fachtag zur Landesjugendkonferenz in Mittweida am 21.11.2022

Tagungsbericht

Neues für und in der Heimerziehung“: Bericht zu der Fachtagung „Neues für und in der Heimerziehung“ am 21. November 2022 in Mittweida

Seit Juni 2021 ist die Reform der Kinder- und Jugendhilfe in Kraft. Was hat sich bisher in der Praxis getan? Und wie sieht es mit der Entwicklung von Selbstvertretungen aus? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Tagung im sächsischen Mittweida.

Am 21. November 2022 trafen sich rund 100 Expert:innen und Careleaver:innen in der Hochschule Mittweida, um Neuerungen für und in der Heimerziehung zu diskutieren und wertvolle Beiträge zu diesem Thema vorzutragen. Enrico Birkner, Leiter des Landesjugendamtes Sachsen eröffnete den Fachtag mit seinem Vortrag über die Geschichte der Heimerziehung und über neue gesetzliche Regelungen als Herausforderungen für die Erziehungshilfen. Im Anschluss sprach Nicole Rosenbauer von der FH Erfurt über Kinderrechte als ein unter allen Umständen einzulösendes Versprechen in der Jugendhilfe und was es noch zu tun gibt. Wie Beschwerden als Möglichkeit der Rückmeldung von Adressat:innen in der Jugendhilfe nutzbar machen kann und in welchen Rollen sich Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe bewegen, brachte Ulrike Urban-Stahl von der FU Berlin näher. Jana Paul, selbst Careleaverin aus Nordrhein-Westfalen und Mitglied des Careleaver e.V. sprach über Selbstorganisation in der Jugendhilfe als Korrektiv. Die Vortragsreihe schlossen Elsa Thurm und Björn Redmann vom Kinder- und Jugendhilferechtsverein e.V. mit dem Blick auf Selbstorganisation in der Jugendhilfe als Möglichkeitsraum für Veränderungen. Der Ansatz der Landesjugendkonferenz in Sachsen wurde von den beiden vorgestellt. Junge Menschen, die in Sachsen in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe leben sollen dabei unterstützt werden, eine Plattform nach ihren Vorstellungen aufzubauen, die Begegnungen untereinander ermöglichen, die gemeinsame Erfahrungen und Probleme erkennbar machen, die einen Ort bildet, an dem junge Menschen angstfrei ihre Stimme erheben können, die insgesamt ihre Ideen und Interessen bündelt und sie an Träger, Einrichtungen und gegenüber der (Fach)Politik und Öffentlichkeit weitergibt. Perspektivisch soll sich eine Struktur der Selbstvertretung der jungen Menschen in Sachsen entwickeln. Damit soll ein Beitrag geleistet werden, die Praxis stationärer Erziehungshilfen in Sachsen unter Beteiligung von jungen Menschen aus der Erziehungshilfe beteiligungsorientiert weiterzuentwickeln. Damit wird das Projekt im Sinne des § 4a SGB VIII tätig zur Förderung „Selbstorganisierter Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung“.

In Arbeitsgruppen vertieften die Teilnehmenden:

  • Selbstorganisation in der Einrichtung und darüber hinaus

  • Careleaver-Regionalgruppen als unabhängige Orte

  • Interne Beschwerden zur Einleitung von Veränderungen

  • Externe Beschwerdemöglichkeiten aufbauen!

In der ersten Arbeitsgruppe waren eine Vielzahl von Careleaver:innen vertreten. Die zwölf anwesenden Fachkräfte haben mit sieben Careleaver:innen angeregt diskutiert zu Fragen, wie: Können sich Jugendliche überhaupt selbst strukturieren? Gibt es dafür eine Altersgrenze? Wie werden die entwickelten Strukturen und Leitfäden aus der Landesjugendkonferenz so heruntergebrochen, damit es auch in den Einrichtungen ankommt? Was passiert mit den Ergebnissen? Alle waren sich einig, dass Partizipation kein Alter kennt und auch die angebotenen Workshops keine Altersbeschränkung haben sollten. Die Fachkräfte sprachen sich für einen Betreuer:innenaustausch aus, damit alle miteinander ins Gespräch kommen können.

Die Grundlagen für Regionalgruppen als unabhängige Orte wurden von fünf Fachkräften und einem Careleaver in kleinerer Runde besprochen. Als Ergebnis ging hervor, dass Vernetzung, Ehrenamtliche, Ehemaligentreffen, Careleaverzentren, Engagement, Expert:innen und Careleaver:innen wichtige Voraussetzungen für die Umsetzung sind.

In der Arbeitsgruppe von Kathrin Hennig von der Beschwerdestelle Leipzig (BeMiBe) wurde gemeinsam durchdacht, wie die Implementierung eines internen Beschwerdeverfahrens fachlich gut, nachhaltig und sinnvoll gestaltet werden kann. Dazu wurden bunte Hütchen verteilt für verschiedene Positionen wie Leitung, Eltern, Bewohner:innen und Fachkräfte. Diese Gruppen diskutierten sehr angeregt, wie sie sich wünschen, dass das Beschwerdeverfahren abläuft. Alle waren sich einig, dass Partizipation eine große Rolle spielt.

Ulrike Urban-Stahl hat in ihrer Arbeitsgruppe gemeinsam mit 21 Personen eine Übersicht darüber ausgearbeitet, was Beschwerden erleichtert und was Beschwerden erschwert. Im Anschluss daran hat sie zum Thema „Externe Beschwerdemöglichkeiten aufbauen“ eine Präsentation vorgestellt, in der unter anderem verschiedene Möglichkeiten abgebildet waren. Anschließend hat sie eine Frage zur Diskussion in die Runde gestellt: Wenn Sie Jugendlicher in einer Einrichtung wäre, wer wäre die beste Ansprechperson unter folgenden Auswahlmöglichkeiten: Landesheimrat, Jugendamt (ASD), Selbstvertretungsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Einrichtungsträger, Landesjugendamt/oberste Landesjugendbehörde/Heimaufsicht, Kinder- und Interessenvertretung (Kinderbüros, Beauftragte)? Diese Frage sollte in Zweier-Gruppen diskutiert werden.

Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen wurden am Ende des Fachtages in einer Abschlussrunde präsentiert. Auf insgesamt 15 großformatigen Fußstapfen wurden Schritte auf dem Weg in eine adressat:innengerechtere Heimerziehung mit Selbstvertretungsstrukturen aufgezeigt. Diese Schritte nimmt das Team der Landesjugendkonferenz mit und wird diese in ihre Arbeit in den kommenden Monaten einbeziehen.