Ende des Jahres 2021 hat der Landesjugendhilfeausschuss Sachsen eine neue "Empfehlung" zum Umgang mit Taschengeld in Sachsen verabschiedet. Alle Kinder und Jugendlichen ab 4 Jahren, die in Einrichtungen der Jugendhilfe leben, haben Anspruch auf Taschengeld. Dieses Taschengeld darf nicht einbehalten, gekürzt oder zwangsweise angespart werden. Sondern das Taschengeld soll den Kindern und Jugendlichen "zur eigenverantwortlichen Verfügung" stehen. Jugendliche ab 14 Jahren sollen das Taschengeld im Voraus und in voller Höhe ausgezahlt werden (keine Teilbeträge). Taschengeld darf nicht zur Bestrafung oder als Sanktionsmittel genutzt werden! Auch nicht für verursachte Schäden!
verabschiedet vom Landesjugendhilfeausschuss am 16.12.2021
Sächsisches Staatsministerium
für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
Landesjugendamt
Geschäftsstelle des Landesjugendhilfeausschusses
1 Taschengeld in Jugendhilfeeinrichtungen über Tag und Nacht
In § 39 Abs. 2 SGB VIII ist gesetzlich normiert, dass Kinder und Jugendliche in Einrichtungen
über Tag und Nacht nach §§ 34, 35 und 35a SGB VIII ein nach Alter gestaffeltes Taschengeld
erhalten.
Nach § 39 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII in Verbindung mit § 33 Absatz 1 Nummer 1 Landesjugend-
hilfegesetz setzt das Landesjugendamt diesen »angemessenen Barbetrag zur persönlichen
Verfügung des Kindes oder des Jugendlichen« landeseinheitlich nach Altersgruppen fest.
Diese Beträge sind für die örtlichen öffentlichen Träger der Jugendhilfe in Sachsen bindend.
Sie werden zusätzlich zum Entgelt für die Jugendhilfeleistung pro Tag gewährt und sind ohne
Abzüge auszuzahlen.
Das Taschengeld erhalten die Kinder und Jugendlichen zur freien Verfügung. Durch den ei-
genverantwortlichen Umgang damit lernen sie, sich ihr Geld einzuteilen und eigene Entschei-
dungen über seine Verwendung zu treffen, um sich Wünsche zu erfüllen. Der gesetzliche An-
spruch auf Taschengeld ermöglicht alltagsbezogenes individuelles Erfahrungslernen, im Um-
gang mit Geld altersgemäß selbständig zu werden und altersgemäße Verantwortung für eige-
nes Entscheiden und Handeln zu übernehmen.
2 Anspruch auf Taschengeld
Kinder und Jugendliche in Jugendhilfeeinrichtungen über Tag und Nacht haben Anspruch auf
ein altersgemäßes Taschengeld, welches ihnen zur Verfügung gestellt werden muss (Barbe-
trag gemäß § 39 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Eine Kürzung des Taschengeldes ist unzulässig.
Der Landesjugendhilfeausschuss entscheidet regelmäßig alle 4 Jahre über die Höhe der Bar-
beträge pro Monat für jede Altersstufe zwischen 4 und 18 Jahren.
Vollenden Kinder und Jugendliche ein Lebensjahr, erhalten sie vom Beginn des Monats an, in
dem die Höhergruppierung wirksam wird, die für ihr neues Lebensjahr maßgeblichen Beträge.
Bei Kindern im Lebensalter unter 3 Jahren wird auf eine Festlegung eines Barbetrages ver-
zichtet, weil die kognitiven Fähigkeiten der persönlichen Bedürfnisäußerung in Verbindung mit
der Verwendung von Taschengeld in diesem Alter noch begrenzt sind.| 3
Für junge Volljährige, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, richtet sich die Höhe des Bar-
betrages nach § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII. Der Barbetrag beträgt mindestens 27 v. H. des
Regelsatzes der Sozialhilfe. Schließt der Minderjährige ein Lebensjahr ab, erhält er vom Be-
ginn des Monats an, in dem die Höhergruppierung wirksam wird, die für sein neues Lebensal-
ter maßgeblichen Beträge.
3 Verwendung des Taschengeldes
Das Taschengeld steht dem Kind oder Jugendlichen grundsätzlich zur eigenverantwortlichen
Verwendung zur Verfügung. Es ist für die Erfüllung individueller Wünsche der Kinder und Ju-
gendlichen bestimmt.
Das Taschengeld dient nicht der Befriedigung von Bedürfnissen, die mit dem Leistungsentgelt
nach § 78b SGB VIII, dass zum Sichern des notwendigen Unterhalts nach § 39 Abs. 1 SGB
VIII dienen soll, und auch nicht den individuellen Aufwendungen, für die es örtliche Regelun-
gen zu den einmaligen Beihilfen und Zuschüsse nach § 39 Abs. 3 SGB VIII gibt.
Es ist die Aufgabe der Vereinbarungspartner nach § 78b SGB VIII für eine auskömmliche Aus-
stattung mit Mitteln für Freizeitbeschäftigungen, Teilnahme an kulturellen und sportlichen Ver-
anstaltungen auch außerhalb der Einrichtung, Ausflüge, Ferienfahrten, Ausgaben für Schul-
material, Hygienebedarf und Friseurkosten, u. ä. zu sorgen. Es ist nicht statthaft, dass Ta-
schengeld ganz oder teilweise dafür einzuziehen.
Den Kindern und Jugendlichen steht es frei, das Taschengeld nach ihren Bedürfnissen bei-
spielsweise für Spielsachen, Schreibwaren, Porto, Zeitschriften, Bücher, CDs/DVDs, mobile
Datenträger und Musikdownloads, Gebühren für Apps und Guthaben auf persönlichen digita-
len Endgeräten, Genussmittel, besonderen kulturellen Bedarf, Geschenke, zusätzliche Kör-
per- und Haarpflege sowie Kosmetikartikel einzusetzen.
4 Auszahlung des Taschengeldes
Die Auszahlung erfolgt durch die Einrichtung, die in jedem Einzelfall ein Barbetragskonto führt.
Für Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr sollte möglichst ein Girokonto für den bzw. die Ju-
gendliche eingerichtet werden. Dies trägt zum Lernen des selbständigen Umgangs mit Geld
nach den üblichen Verfahren bei. Jugendliche sollten in der Regel den monatlichen Gesamt-
betrag jeweils im Voraus, Kinder angemessene Teilbeträge erhalten. Die Aushandlung über
die Höhe von Teilbeträgen gehört zum beteiligungsorientierten pädagogischen Handeln, um
den selbständigen Umgang mit Geld zu befördern.
Die Auszahlung muss gegenüber dem Kostenträger nachweisbar dokumentiert sein. Das Lan-
desjugendamt hat ein Überprüfungsrecht gemäß § 46 SGB VIII.
Bei Aufnahme in eine Einrichtung im laufenden Monat ist für jeden Tag 1/30 des zustehenden
Barbetrages zu zahlen. Verlässt das Kind bzw. der oder die Jugendliche im Laufe des Monats
die Einrichtung, verbleibt ihm bzw. ihr der im Voraus gezahlte Betrag. Der Barbetrag wird auch
im Urlaub und in anderen Abwesenheitszeiten gewährt.
5 Beratung im Umgang mit Taschengeld
Der Umgang mit Taschengeld ist für die Kinder und Jugendlichen ein Lernfeld. Die in der Be-
treuung tätigen Fachkräfte sollten die Verwendung des Taschengeldes durch Beratung, Anre-
gung und aufklärende Information begleiten.
Wenn Kinder und Jugendliche einen Teil des Taschengeldes ansparen wollen, um sich etwas
Bestimmtes kaufen zu können, so sollen sie dabei beratend unterstützt werden.
Es ist nicht statthaft, das Taschengeld als Sanktionsmittel zu nutzen, in dem das Verletzen
von Regeln mit ganzem oder teilweisem Entzug der monatlichen Zahlung bestraft wird.
Wenn das Kind oder der Jugendliche durch Missbrauch des Taschengeldes sich oder Dritte
erheblich gefährdet, ist dies durch pädagogische Interventionen abzuwenden.
Bei verursachten Sachschäden soll dem Kind oder Jugendlichen Gelegenheiten zur Wieder-
gutmachung angeboten werden, die eine Kürzung des Taschengeldes ausschließen.
Sollte eine Wiedergutmachung auf diese Weise nicht möglich sein, kann das Kind bzw. der
Jugendliche dem Einsatz von bis zu 1/3 des Taschengeldes zustimmen.
Ergänzende Informationen zum Taschengeld:
Langmeyer, A.; Winklhofer U. (2014): Taschengeld und Gelderziehung. Eine Expertise zum
Thema Kinder und ihr Umgang mit Geld mit aktualisierten Empfehlungen zum Taschengeld
Deutsches Jugendinstitut, München.
Taschengeld in der Jugendhilfe darf nicht einbehalten, gekürzt oder zwangsweise angespart werden! Das haben die Kolleg:innen der Ombudschaft Jugendhilfe NRW in einem Video nochmal klar aufgezeigt.
Alle Kinder und Jugendlichen in Wohngruppen und Heimen erhalten ein monatliches Taschengeld, das von den Betreuerinnen und Betreuern ausgezahlt wird. Der Betrag richtet sich nach dem Alter, und in jedem Bundesland gelten unterschiedliche Sätze. Dieses Geld steht allein dir zur Verfügung, darf also nicht ohne dein Einverständnis beispielsweise für Ausflüge verwendet werden. Ob dir das Taschengeld aber in einer Summe oder in Teilbeträgen ausgezahlt wird, musst du mit deinen Betreuerinnen und Betreuern besprechen. Diese sollen nämlich darauf achten, dass du den Umgang mit Geld erlernst. Es ist ja auch für dich besser, wenn du am Ende des Monats noch Geld hast.
In manchen Heimen und Wohngruppen wird als Strafe etwas vom Taschengeld abgezogen, wenn das betreffende Mädchen oder der Junge die Regeln übertreten hat. Das ist nicht zulässig.
Schon im März 2019 hat der Landesjugendhilfeausschuss Sachsen für 2020 höhere Taschengeldsätze festgelegt:
Minderjährige erhalten ab vollendetem
4. Lebensjahr 8,00
5. Lebensjahr 10,00
6. Lebensjahr 12,00
7. Lebensjahr 15,00
8. Lebensjahr 17,00
9. Lebensjahr 19,00
10. Lebensjahr 25,00
11. Lebensjahr 27,00
12. Lebensjahr 29,00
13. Lebensjahr 34,00
14. Lebensjahr 39,00
15. Lebensjahr 45,00
16. Lebensjahr 51,00
17. Lebensjahr 56,00
Für junge Volljährige, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, richtet sich die Höhe des Barbetrages nach § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII. Der Barbetrag beträgt mindestens 27 v. H. des Regelsatzes der Sozialhilfe.
Schließt der Minderjährige ein Lebensjahr ab, erhält er vom Beginn des Monats an, in dem die Höhergruppierung wirksam wird, die für sein neues Lebensalter maßgeblichen Beträge.